Seit 3 Jahren hat mich das Wandern in seinen Bann gezogen – ich genieße die Verbundenheit zur Natur, die Ruhe, das Gefühl von Abenteuer. Eben all das, was beim Leben in einer Großstadt schnell in den Hintergrund tritt und durch alltägliche Hektik ersetzt wird. Meiner Begeisterung folgend habe ich viele der deutschen Mittelgebirge bereits (mehrfach) bewandert, was die Frage aufwarf, wo ich in diesem Jahr meinen Wanderurlaub verbringen würde. Aufgrund der geringen Anfahrtszeit von nur 4 Stunden, meiner Faszination für die tschechische Gastfreundschaft und das dortige Essen sowie der versprochenen bergigen Landschaft war schnell klar, wo es hingehen sollte. Das Riesengebirge.
Die erste Überraschung erlebte ich schon bei der Anfahrt. Einen beachtlichen Teil der Strecke fuhr ich auf geschlängelten Landstraßen, weil eine Autobahn schlichtweg nicht existierte. Das war für mich, der leidenschaftlich gerne Auto fährt, eine echte Freude. Angekommen in einer wunderschönen Pension (großen Dank an meine Freundin für ihr Organisationstalent) kam ich allerdings nicht zur Ruhe, da an diesem Abend ein seltener Blutmond am Himmel stand, den ich prompt fotografieren wollte. Auf dem nächtlichen Rückweg konnte ich dunkle Bergsilhouetten ausmachen, die sich wie gigantische Riesen gegen den sternenbeleuchteten Nachthimmel stemmten. In mir löste dies einen Mix aus Euphorie aber auch Nervosität und Respekt aus.
Die erste Wanderung begann ich zögerlich. Zum einen fühlte ich mich seit einigen Tagen erkältet, zum anderen war mir das Riesengebirge völlig unbekannt, weshalb ich mir erstmal einen Überblick verschaffen musste – praktisch ein Warm Up. Wie zukünftig jede Wanderung startete ich auch heute im nahegelegenen Spindlermühle, ein überschaubarer Ort, der sich dicht an die Berge schmiegte. Nachdem ich die Stadt hinter mir gelassen und die ersten 1000 Höhenmeter erklommen hatte, war ich plötzlich mittendrin in einer der beeindruckendsten Landschaften Mitteleuropas. Steile Anstiege im alpinen Profil, Geröllfelder, tiefe Wälder, Hochebenen jenseits der Baumgrenze, Moore, Wasserfälle – in kürzester Zeit offenbarte sich mir die tschechische Landschaft in einer Vielfältigkeit, wie ich sie selten zu sehen bekam. Spätestens an dieser Stelle waren alle Bedenken über Bord geworfen und aus einer ursprünglich kleinen Tour wurde ein 27 Kilometer langer Gebirgsmarsch. Mein Entdeckerherz schlug definitiv höher.
In der darauffolgenden Woche erlebte ich vieles, für das ich so dankbar bin. Jeden Tag ging ich anspruchsvolle Routen, die mich meistens weg von den Touristenmassen in atemberaubende Natur führten. Einzige Ausnahme bildete die Schneekoppe, welche mit 1603 Höhenmetern als höchster Berg Tschechiens definitiv der Touristenliebling und somit entsprechend überfüllt war. Das klingt nicht so hoch, oder? Und dennoch kam mir diese Landschaft so riesig vor. Besonders fiel mir auf, dass ich regelmäßig auf Backpacker stieß, die man mit ihren großen Rucksäcken schon von weitem als solche identifizieren konnte. Beim genaueren Blick auf die Karte erkannte ich ein ausgedehntes Netzwerk an Schutzhütten und Wanderunterkünften, den sogenannten „Baudas“. Während meiner Wanderungen passierte ich einige davon, die meisten mit urigem Charakter und in traumhafter Lage. Da ich im Frühling dieses Jahres meine erste Backpacking-Tour auf dem Forststeig in der Sächsischen Schweiz gewandert bin und es mich komplett abgeholt hatte, machte sich in meinem Kopf die Idee breit, das Riesengebirge erneut in diesem Format zu erkunden…
The End?
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